Jung, urban, ökologisch
Kölner Stadt-Anzeiger, 23. Juli 2014
Bergisch Gladbach – Als am 24. April 2013 eine Textilfabrik in Bangladesch einstürzt und mehr als 1000 Arbeiterinnen und Arbeiter unter sich begräbt, ist die Empörung in aller Welt riesig. Schlagartig wird den Menschen klar, unter welchen Bedingungen die schöne Mode, die in den Schaufensterscheiben der Einkaufsparadiese glänzt, hergestellt wird. Der Ruf nach Veränderung wird laut, doch viele resignieren. Schließlich fertigen doch fast alle Modelabels in Fernost, ob große Marken oder billige Discounter.
Ein Jahr später ist von einer Bewusstseinsänderung im Kaufverhalten der meisten Menschen kaum mehr etwas zu spüren. Anfang Mai eröffnet Primark in Köln, eine irische Modekette, die wie kaum eine andere den Trend zur billigen „Wegwerf“-Mode auf die Spitze treibt. Der Hype ist riesig. Seit der Eröffnung sind die schlichten, braunen Primark-Papptüten nicht mehr aus der Kölner Einkaufszone wegzudenken. Und auch in Bergisch Gladbach, einer Stadt, die sich wie ihr großer Nachbar Köln mit dem Titel „Fair Trade Town“ schmückt, fiebern die Teenager der Eröffnung des neuen H&M sehnsuchtsvoll entgegen.
Es scheint, als habe sich nichts verändert, seit die unzähligen Näherinnen und Näher in Bangladesch den Tod fanden. Doch der Schein könnte trügen: Martin Höfeler spürt persönlich schon eine gewisse Veränderung in seinem Umfeld. Der junge Unternehmer, dessen Familie aus dem Bergischen Land kommt, gründete mit einem Freund 2007 ein nachhaltiges Modelabel, noch bevor er sein BWL-Studium abgeschlossen hatte. Sieben Jahre später ist der 32-Jährige Chef eines inzwischen international erfolgreichen Unternehmens und profitiert natürlich von der Bewusstseinsänderung, die sich langsam in der Gesellschaft durchsetzt.
Auf die Idee, in die nachhaltige Modebranche einzusteigen, sind die beiden Freunde dabei eher zufällig gekommen. „Uns ist damals aufgefallen, dass es nachhaltige Textilproduktion zwar gibt, aber eben nicht in dem Look und Design, wie wir ihn tragen wollten“, berichtet Höfeler. Entstanden ist das Modelabel „Armed Angels“ mit Sitz in Köln, das mit jungem, urbanem Style auf sich aufmerksam macht, gleichzeitig jedoch auch sozial und ökologisch produzieren möchte.
Dies stellte das junge Unternehmen zunächst vor eine Herausforderung. Die Macher entschieden sich, auf zwei Siegel zu setzen, die gewisse Standards bei den Zulieferbetrieben garantieren: das Fairtrade- sowie das GOTS-Siegel (Global Organic Textile Standard, auf Deutsch: Weltweiter organischer Textilstandard), um damit sowohl den Anbau der Bio-Baumwolle als auch die Ökologie und Sozialstandards in der Weiterproduktion abzudecken. Doch Höfeler sieht die Siegel nur als eine sinnvolle Unterstützung, ausruhen möchte er sich darauf nicht: „Wir besuchen unsere Produzenten regelmäßig auch selbst.“
Zunehmend schwieriger wird es dabei, geeignete Produktionsstätten zu finden, um das Ziel des Unternehmens, jedes Jahr eine neue Produktgruppe auf den Markt zu bringen, zu erreichen. Denn die wenigsten sind darauf ausgelegt, nach sozialen und ökologischen Bedingungen zu produzieren. Höfeler zeichnet den Weg seiner Kleidungsstücke einmal nach: Die faire Biobaumwolle bezieht das Unternehmen aus Indien, daraus wird in indischen, portugiesischen und deutschen Spinnereien Garn gesponnen. Die weiteren Verarbeitungsschritte wie Stricken, Färben, Veredeln sowie die Konfektion finden dann bei den Lieferanten in Portugal, Marokko und der Türkei statt.
Dass die ökologische, faire und soziale Produktion natürlich ihren Preis hat, ist verständlich. Als drei- bis viermal so hoch wie in der konventionellen Fertigung beziffert Höfeler die Produktionskosten. Das schlägt sich beim Preis für den Käufer nieder: T-Shirts kosten mindestens 20 Euro, Sweatshirts häufig 80 und Hosen rund 100 Euro. „Klar können wir preislich nicht mit Discountern wie Primark und Co mithalten. Das wollen wir aber auch gar nicht“, betont Höfeler. Er sieht sein Label eher in einem Marken-Umfeld von Scotch & Soda oder Diesel, aber dafür mit Bio-Qualität, die sich maßgeblich von der herkömmlichen Ware unterscheidet. Dass sich Jugendliche T-Shirts um die 20 Euro womöglich nicht leisten können, kann er nicht nachvollziehen. „Die Frage ist, ob ich jeden Monat ein neues Teil brauche, weil sich die Kleider nach zweimal waschen auflösen, Farbe verlieren und sich verziehen, oder ob ich mir ein gutes Teil leiste, an dem ich echte Freude habe und das auch nach vielen Wäschen noch perfekt sitzt.“
Mit dieser Strategie wird sein Unternehmen sicher nicht alle Kunden erreichen können. Dennoch, das Geschäft mit der Öko-Mode boomt. „Armed Angels“ konnte drei Jahre in Folge seinen Umsatz verdoppeln, sodass das Management im vergangenen August neue Räume in der ehemaligen 4711-Fabrik im Kölner Stadtteil Ehrenfeld beziehen musste.
Ihre Produkte sind inzwischen bei mehr als 500 Händlern in Deutschland, Österreich, der Schweiz und Holland zu finden. Selbst Peek & Cloppenburg auf der Kölner Schildergasse führt schon Stücke aus der Kollektion. Martin Höfeler möchte mit seinem Unternehmen die Menschen für nachhaltige Mode begeistern, damit immer mehr Arbeitern in den Produktionsländern ein faires und soziales Auskommen gesichert ist. Und er hat noch weitere Ambitionen: „Unser nächstes Ziel auf dem Weg dorthin ist ein eigener Laden in Köln.“
Lukas B. Kohlenbach