„Wir sagen immer wieder Ja zum Leben!“

Ehrenamtliche unterstützen das Kinderhospiz bei den Pfeifferschen Stiftungen

Die jungen Patienten im Kinderhospiz der Pfeifferschen Stiftungen bekommen regelmäßig Besuch. Hund Joshi zählt ebenso zu den treuen Begleitern wie die ehrenamtlichen Helfer.

von Lukas B. Kohlenbach

Joshi wedelt mit dem Schwanz. Dann legt der Hund sich vorsichtig in das Bett neben den Jungen. Er tastet sich vorsichtig heran, ist geduldig. Seine ruhige Ausstrahlung strahlt auf den Jungen ab.

Jede Woche kommt Joshi ins Kinderhospiz. Seine Besitzerin Andrea Klages hat vor sechs Jahren mit ihm eine Ausbildung zum Therapiebegleithund gemacht. „Jedes Kind reagiert anders auf Joshi. Ich achte darauf, dass der Kontakt für Kinder und Hund immer angenehm ist“, erklärt die Gymnasiallehrerin, die nebenberuflich mit Joshi im Kinderhospiz arbeitet.

Manche Kinder sind ganz aufgeregt. Andere kommen durch Joshi zur Ruhe. Der grauhaarige Hund meistert auch knifflige Situationen gelassen. Viele Kinder können sich aufgrund ihrer Erkrankung oder Beeinträchtigung nicht artikulieren. Joshi stört das nicht. Er versteht sie auch ohne Worte.

Das Kinderhospiz Magdeburg ist das einzige stationäre Kinderhospiz in Sachsen-Anhalt. Auf dem Gelände der Pfeifferschen Stiftungen im Ortsteil Cracau sind das Kinderhospiz und das Erwachsenenhospiz in einem gemeinsamen Gebäude untergebracht. Acht Kinder können hier stationär betreut werden.

Ein leichter Lavendelduft weht über den Gang. Aus einem Zimmer erklingt entspannende Musik. An den Wänden hängen kunstvolle Gemälde, sie zeigen Kinder und Jugendliche. Auf dem Flur stehen Rollstühle. Baustellengeräusche dringen in die ruhige Atmosphäre der Station.

„Wir brauchen mehr Platz. Darum wird gerade angebaut“, erklärt Julia Ebermann. Sie arbeitet im Sozialdienst des Kinderhospizes. Das kleine Backsteingebäude, das von außen alt wirkt, innen aber hochmodern ist, bietet nicht mehr genügend Platz. „Unser Team ist größer geworden. Und die Bedürfnisse der Patienten sind gestiegen“, sagt Ebermann. Die Zahl der Patienten wird gleichbleiben. Doch die neuen Räumlichkeiten sollen mehr Rückzugsräume bieten und neue Möglichkeiten für Therapien schaffen. „Auch die Rollstühle werden dann nicht mehr auf dem Gang stehen.“

Am Eingang der Station hängen Schmetterlinge aus Papier. Ihre Flügel werden von den farbigen Fußabdrücken der behandelten Kinder gebildet. Wenn die Kinder auf Station sind, hängt ihr Schmetterling an ihrer Zimmertür. Sind die Kinder gestorben, werden ihre Schmetterlinge in ein Mobile an der Decke des Flures gehängt. Es soll den Übergang von der Erde zum Himmel symbolisieren.

„Leben und Tod sind hier so nah beieinander.“

„Diese Rituale sind für die Familien und auch das Behandlungsteam ganz wichtig“, erklärt Julia Ebermann. Die Sozialarbeiterin führt die Erstgespräche mit den Familien, die die Hilfe des Kinderhospizes benötigen. Und sie koordiniert die Ehrenamtlichen, die sich im Hospizdienst engagieren. „Die Ehrenamtlichen sind ein unglaublicher Schatz“, schwärmt sie. Sie schenken den Kindern und Jugendlichen ihre Zeit, begleiten Ausflüge, schenken Lebensfreude. „Wir sagen immer wieder Ja zum Leben!“, sagt Julia Ebermann. „Leben und Tod sind hier so nah beieinander.“

Einer, der dieses Leben ins Kinderhospiz trägt, ist Tobias Fritsch. Seit zwei Jahren engagiert sich der 30-jährige Mann im Hospizdienst. Er hat mitbekommen, wie ein Kind schwer krank wurde und seine Familie mit der Situation überfordert war. Daraufhin hat er beschlossen, sterbenskranken Kindern und deren Familien zu helfen. „Ich denke dabei gar nicht so sehr an den Tod. Ich schaue auf die aktuelle Situation: Das Kind lebt, und es gilt die Zeit zu nutzen“, berichtet Tobias Fritsch.

Junge Männer wie er sind selten. Meist engagieren sich Frauen im Kinderhospiz. In Magdeburg ist Tobias Fritsch der einzige. „Junge Männer als Bezugsperson für unsere männlichen Patienten sind ganz wichtig“, erklärt Palliativschwester Claudia Heyer. Fritsch geht mit den Jungen in den Park, spielt Fußball, albert mit ihnen herum. Die Arbeit mit sterbenskranken Kindern belastet ihn nicht. „Ich erlebe die Zeit im Hospiz wie eine Auszeit vom Alltag. Hier komme ich zur Ruhe.“

Manchmal brauchen nicht nur die kleinen Patienten Hilfe

Manchmal sind es nicht nur die kleinen Patienten, die seine Hilfe brauchen. „Einmal wurde hier ein Junge behandelt, dessen Vater alleinerziehend war. Er kümmerte sich rund um die Uhr um den Kleinen, ihn plagten finanzielle Sorgen“, erzählt Tobias Fritsch. Er nahm den Vater mit in die Stadt, ging mit ihm ins Kino. „Zu sehen, wie wertvoll das für ihn war und wie viel ihm das bedeutet hat, war ganz besonders. Daran denke ich noch häufig zurück.“

Tobias Fritsch kam zum Studium nach Magdeburg. Aufgewachsen in Frankfurt, hat er hier eine neue Heimat gefunden, seit vier Jahren arbeitet er als Bauingenieur. „Besonders für Studenten könnte der Hospizdienst ein spannendes Ehrenamt sein“, glaubt er.

Claudia Heyer arbeitet schon seit Eröffnung des Kinderhospizes im März 2013 im Pflegeteam mit. Wenn sie von ihrer Arbeit spricht, wirkt sie erfüllt, nicht bedrückt. Nach ihrer Ausbildung zur Kinderkrankenschwester hat sie zunächst auf einer Frühchen-Station gearbeitet. „Damals haben wir für das Leben der Kinder gekämpft“, erinnert sie sich. Heute begleitet sie Kinder, die am Ende ihres Lebensweges stehen, die unheilbar krank sind. Der Gegensatz könnte nicht stärker sein.

Sein Kind in die Hände anderer zu geben, erfordert Überwindung

 „Ich schätze die Ehrlichkeit, die ausgesprochen werden kann“, berichtet Claudia Heyer. Eltern und Kinder seien schon einen weiten Weg gegangen, sagt sie. Über das Sterben könne geredet werden, um die letzte Lebenszeit gemeinsam zu gestalten.

Die Arbeit in einem Kinder- und Jugendhospiz unterscheidet sich stark vom Alltag in Erwachsenenhospizen. Auch ins Kinderhospiz kommen Sterbende in den letzten Wochen vor ihrem Tod. Doch im Gegensatz zu Erwachsenen werden viele Kinder auch jahrelang begleitet. Sie haben keine Aussicht auf Heilung, doch ihr Leiden kann sich über einen längeren Zeitraum strecken. Die Palliativmedizin versucht dieses Leiden zu lindern.

„Diese Kinder sind nicht durchgängig im Kinderhospiz. Sie kommen immer mal wieder, für kürzere Zeiträume“, erklärt Claudia Heyer. Die Pflege von sterbenskranken Kindern kann ihre Familien stark belasten. Daher bieten Kinderhospize auch eine sogenannte „Entlastungspflege“ an. In Deutschland haben Familien mit einem Kind, das aufgrund einer Erkrankung voraussichtlich nicht das Erwachsenenalter erreichen wird, 28 Tage im Jahr Rechtsanspruch auf Entlastungspflege. Wie die Familien diese Zeit gestalten, ist individuell sehr unterschiedlich.

Manche Eltern übernachten in dieser Zeit im Elternzimmer des Hospizes. Andere nehmen sich mehr Zeit für sich. Sein Kind in die Hände anderer zu geben, erfordert Überwindung. Auch Schuldgefühle plagen die Eltern. „Doch die Kinder sagen tatsächlich auch, sie wollen mal weg von zu Hause, von den Eltern“, berichtet Claudia Heyer. „Sie sind permanent abhängig von den Eltern, und sie nutzen das hier als Auszeit von der Familie.“

Joshi hat diese Auszeit für die Kinder ein wenig bunter gemacht. Zwei Stunden ist er von Kind zu Kind gegangen, hat sich für jedes Kind Zeit genommen. Nun hechelt er leicht. Er ist ein wenig müde. Seine Besitzerin Andrea Klages streichelt ihn. Joshi läuft noch mal über die Station. Dann schließt sich die Tür hinter ihm. Er wird wiederkommen.

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