Seifenkistenrennen: Hohes Tempo gibt den besonderen Kick

Kölner Stadt-Anzeiger, 14. August 2013

Rhein-Berg – Seifenkisten? So etwas gibt es heute noch? Die Verwunderung in den Augen der Redaktionsmitglieder war groß, als Lucas Lorenz in der Sitzung von seinem Hobby erzählte. Doch Lucas baut und fährt nicht einfach nur zum Spaß: Seifenkistenrennen sind eine eigene Wettkampfsportart.

Als er auch noch davon erzählte, dass sein Verein sich momentan auf die Deutschen Meisterschaften Anfang September vorbereitet, stand fest: Das müssen wir uns ansehen!

Über 100 Pokale gewonnen

So machte ich mich auf den Weg nach Overath. Hier, weit draußen auf dem Land, finden sich genügend Platz und kleine, wenig befahrene Straßen, um dieser rasanten Sportart nachzugehen.

Gemeinsam mit seinem Vater bastelte Lucas seine erste Seifenkiste mit acht Jahren zusammen: der Start für eine außergewöhnliche Leidenschaft. Noch immer steht sein erstes Modell in einem alten, benachbarten Stall. Es unterscheidet sich stark von den Rennern, die Lucas und seine Wettkampfkollegen heute für die Wettkämpfe benutzen.

„Als wir mit meiner selbst gebauten Seifenkiste zu unserem ersten Rennen wollten, wurde uns gesagt, dass sie gar nicht wettkampftauglich sei“, erzählt Lucas. „Doch dann hat uns der Vorsitzende des Landesverbandes ein Modell geliehen, mit dem ich meine ersten Rennen fahren konnte!“ Heute zieren rund 100 Pokale Lucas’ Zimmer, für jedes gefahrene Rennen einer.

Seifenkistenrennen sind heute zwar weit weniger verbreitet als früher, die Begeisterung und die Faszination sind aber ungebrochen. Um 1900 wurden in nachgebauten Miniatursportwagen die ersten Rennen für Kinder veranstaltet. Oberursel bei Frankfurt gilt als Geburtsstätte des deutschen Wettkampfsports. Mit der Förderung durch Opel in der Nachkriegszeit erlebte die Sportart einen starken Aufwind. Nach dem Rückzug des Automobilkonzerns Anfang der 1970er Jahre wurde es ruhiger um die schnellen Flitzer.

Doch auch heute noch werden Turniere veranstaltet, und einmal im Jahr nehmen rund 60 bis 80 Kinder und Jugendliche in jeder der drei Wettkampfklassen an der Deutschen Meisterschaft teil. Dieses Jahr findet sie vom 30. August bis 1. September in Simmerath statt.

Mit elf Jahren schon ein Senior

Der 14-jährige Sebastian Eckert ist einer von den Fahrern, die Ende August bei der Meisterschaft antreten. Dieses Jahr startet er in der Senior-Klasse, in der Jugendliche von elf bis 18 Jahren antreten dürfen.

Sein bunt lackierter Flitzer erinnert ein wenig an eine überdimensionale Zigarre oder einen kleinen Torpedo. Die modernen Rennkisten sind aus Glasfaser gebaut. Im Innern finden sich die Lenkung und das Bremspedal. Außerdem kann man mit Bleigewichten die Kiste auf maximal 113 Kilogramm beschweren, um stärker beschleunigen zu können.

Sebastian zwängt sich in seine Kiste. Das ist gar nicht so einfach, denn die Rennwagen sind sehr schmal und windschnittig gebaut. Im Liegen sieht der Fahrer kaum noch die Vorderräder, mit denen er lenkt. „Ich sage unseren Fahrern immer: Wenn ihr merkt, dass die Zuschauer am Rand ihre Kinder in Sicherheit bringen, dann wisst ihr, dass ihr nah genug an der Bande seid“, scherzt Lucas.

60 Kilometern pro Stunde

Mit bis zu 60 Kilometern pro Stunde geht es die Rennstrecke hinab. „Ich mag besonders diesen Adrenalin-Kick und die hohe Geschwindigkeit“, berichtet Sebastian. Seine ganze Familie steht hinter seinem Hobby. So bauen alle gemeinsam an der Kiste und achten darauf, dass alle Teile sicher sind. Bisher ist Sebastian noch unfallfrei gefahren.

Und Lucas ist sich sicher, dass auch bei den nächsten Seifenkisten-Rennen nicht viel passieren wird: „Seifenkistenfahren ist eine sichere Sportart. Die schlimmste Verletzung, die wir bisher hatten, war ein gebrochener Arm.“ Ich probiere selbst einmal, in den engen Flitzer zu steigen. Vorsichtig zwänge ich mich in das Glasfaser-Gehäuse. Bereits jetzt bin ich aufgeregt, dafür muss ich gar nicht fahren.

Als ich nämlich endlich im Wagen bin, habe ich die Befürchtung, dass ich hier nie wieder herauskomme. Das Ein- und Aussteigen ist schon ein Sport für sich. Als ich mich mühselig wieder herausgezwängt habe, bin ich ein wenig erleichtert. Nun verstehe ich, warum Seifenkistenfahren ausschließlich eine Kinder- und Jugendsportart ist. Mit 18 Jahren müssen die Jugendlichen aufhören und dürfen auch nicht mehr zu den Wettkämpfen antreten.

Deshalb ist auch für Lucas die aktive Zeit als Rennfahrer seit zwei Jahren vorbei. Zum Abschluss durfte er 2011 bei der Deutschen Meisterschaft in Berlin noch einmal einen dritten Platz feiern. Nun betreut er den Nachwuchs in dem Verein „Flotte Kisten Overath“, den sein Vater gründete, um das Hobby seines Sohns zu fördern. 20 Mitglieder hat der Verein, vier aktive Fahrer werden in diesem Jahr in Wettbewerben antreten.

Ob sie bei der Meisterschaft eine noch bessere Platzierung erreichen können als Lucas 2011? „Mir ging es immer um den Spaß am Fahren, nicht um die beste Platzierung“, berichtet Lucas. „Nur wenn es Spaß macht, kannst du auch gut fahren.“

Mit viel Spaß, einer gehörigen Portion Adrenalin und etwas Glück werden die Fahrer der „Flotten Kisten“ aus Overath dieses Jahr also bestimmt wieder erfolgreich sein.

Lukas B. Kohlenbach

Link zum Original-Artikel auf ksta.de